Spielphilosophie

Wie jede Spielleitung haben auch wir eine bestimmte Art von Spiel, die wir auf unseren Veranstaltungen sehen und fördern wollen. Damit alle wissen, worauf sie sich einlassen und eine gemeinsame Vorstellung entwickeln, haben wir unsere Spielphilosophie hier niedergeschrieben.

Wir gehen während der Veranstaltung davon aus, dass ihr damit vertraut seid und werden euch darauf hinweisen. Ebenso werden wir Personen, welche sich trotz Hinweises entgegen unserer Philosophie verhalten, aus dem Spiel entfernen.

Im Zweifel, erinnere dich immer wieder an diese drei Hinweise:
– Don’t be a dick!
– Play to flow!
– Respect the Mood!

Vorwort: H.P. Lovecraft?

Ja, wir mögen Lovecrafts Art des Horrors und den Mythos, der von ihm und vielen weiteren Autor*Innen erschaffen wurde. Uns ist bewusst, dass Lovecraft ein rassistischer und sexistischer Mensch war, selbst im Kontext seiner Zeit. Das ist einer der Gründe, weshalb wir unser Liverollenspiel oft umständlich als “Horror-LARP, inspiriert von den Werken H.P. Lovecrafts” bezeichnen. (Ein weiterer ist, dass wir uns keiner originalen Mythos-Wesen bedienen.) OT sind wir alle gegen jegliche Form von Diskriminierung und erwarten das auch von unseren Teilnehmenden, sonst ist das die falsche Veranstaltung für euch. Die ist nämlich offen für alle, unabhängig von äußerlichen oder innerlichen Merkmalen oder Lebensentwürfen. Außer bei Nazis. Wir sind alle gegen Nazis.

Unser Selbstverständnis als Spielleitung

Wir veranstalten Liverollenspiele, an denen wir selbst gern teilnehmen wollen würden. Wir haben Spaß daran, uns eine Welt mit Vorgeschichte auszudenken und diese dann euch zu überlassen, um zu sehen, was ihr daraus macht. Wir wollen, dass ihr unsere Welt erweitert. Wir stehen total darauf, liebevoll von euch ausgearbeitete Charaktere vorgesetzt zu bekommen und zu überlegen, wie wir diese vor Herausforderungen stellen können.
Wir wollen keine Geschichte erzählen, deren Ausgang wir bereits im Vorfeld festgelegt haben und in der ihr nur noch Zuschauer seid. Wir lieben es, eurer Kreativität beim Arbeiten zuzuschauen.
Dabei wollen wir Rahmenbedingungen festlegen, die unserer Meinung nach ein interaktives Spiel, so wie wir es uns wünschen, fördern. Wir wollen in der Welt spielen, die wir uns überlegt haben und freuen uns über jede Ergänzung und Idee, die ihr in diese Welt einbringt.
Wir sehen uns nicht als Dienstleister, sondern als diejenigen, die es uns allen ermöglichen, gemeinsam eine Geschichte zu erzählen. Wir werden euch nicht jeden eurer Wünsche erfüllen, denn diese Veranstaltung ist unser Freizeitprojekt, das wir ehrenamtlich organisieren. Wir verdienen daran kein Geld, unser Lohn ist ideeller Natur. Und genau aus diesem Grund wollen wir unsere Idee verwirklicht sehen und euch dazu einladen, sie mit Leben zu füllen und gemeinsam mit uns auszugestalten.

1. Dein Charakter ist wichtig.

Unser Spiel beginnt und endet bei den Charakteren, sie sind unser wichtigstes Element. Wir schaffen für jeden Charakter Anknüpfungspunkte in der Welt, dazu musst du uns aber ein wenig unterstützen. Deshalb sind wir kein „low maintenance“-LARP. Wir führen mit dir ein Charaktergespräch, um dir ein Bild von unserem Spiel zu vermitteln, deine Figur auszuarbeiten und in der Welt zu verankern. Wir geben dir die Möglichkeit, deine Figur persönlich in den Fortgang der Geschichte zu involvieren – die Motivation dazu muss von dir kommen. Nur wenn du Spielansätze deines Charakters mit anderen teilst, können du und die anderen Spaß an diesen Geschichten haben. Horte deine Geheimnisse nicht, sondern finde Wege, sie subtil ins Spiel zu bringen – sonst kann niemand darauf eingehen.
Bei allem, was in deinem Briefing steht, haben wir uns etwas gedacht. Diese Dinge bieten euch Möglichkeiten für spannendes und intensives Rollenspiel. Versuche, auf so viel wie möglich einzugehen. Bunkere keine Informationen oder Gegenstände. Unterhalte die anderen in dem Maße, in dem du auch unterhalten werden möchtest.
Bei uns gibt es einen Metaplot, aber keinen “Hauptplot” – der Hauptplot seid ihr, das sind eure Charaktere, eure Briefings und das, was ihr daraus macht!
Wenn es keinen Hauptplot gibt, dann bedeutet das auch, dass es keine Geschichte gibt, in die du automatisch involviert wirst, wenn du das nicht selbst tust. Aus diesem Grund sind uns die Motivationen der Charaktere so wichtig. Wir wollen, dass du die bestmögliche Grundlage hast, um dich in den Fortgang der Geschichte und in die Geschichten anderer zu involvieren und in diesem Zuge selbst andere einlädst, mit dir zusammen die Geschichte deines Charakters fortzuschreiben. Wenn du offen bist und dir Dinge suchst, die dich interessieren, dann wird das ganz automatisch geschehen. Deshalb denke lieber einmal zu viel als einmal zu wenig über das Innenleben deines Charakters nach und glaube uns, wenn wir sagen, “Ich bin durch Zufall hier gelandet”, ist kein spielfördernder Grund, am Ort des Geschehens zu sein.

2. Teile deine Informationen IT.

Wir halten euch dazu an, keine Informationen, über die euer Charakter verfügt, außerhalb des Spiels mit anderen Spieler*Innen zu teilen. Es ist viel spannender, diese Dinge während des Spiels herauszufinden und nicht so tun zu müssen, als kenne man sie noch nicht. Je mehr man weiß, desto schwieriger wird es auch, zwischen Charakter- und Spieler-Wissen zu unterscheiden. Tut euch und allen anderen also bitte einen Gefallen und hebt euch diese Dinge fürs Spiel auf.

3. Alle sind sterblich.

(Ja, das schließt auch Monster von den Sternen ein – die sind nur schwerer zu töten.) Wir wollen kein Spiel, in dem grundlos Charaktere getötet werden, aber rechne damit, dass dein Charakter sterben kann. Das gilt genauso für SL-Charaktere, auch die sind sterblich. In Situationen ohne Einwirkungen durch höhere Mächte entscheidest du unter realistischen und dramatischen Gesichtspunkten, ob dein Charakter stirbt oder nicht. Wenn du stirbst, stirb so, dass alle was davon haben. Bei Disputen helfen wir gern mit offiziellen Ansagen nach.

4. Respektiere die Stimmung.

Wir wollen, dass eine gespannte und sogar Horror-Stimmung auf unserer Veranstaltung entsteht. Da wir nur ~30 Personen sind, ist es essentiell, dass alle daran mitarbeiten. Eine Runde, die sich laut kichernd in z.B. Popkultur-Anspielungen ergeht, kann die Stimmung der gesamten Veranstaltung kippen. Es gibt genügend Möglichkeit für die Charaktere, stimmig Spaß zu haben: Der Weltraum ist kalt, dunkel und tot. Wir aber sind am Leben und müssen diese Leere kompensieren, wir sind also umso bunter, lauter und lebendiger, um nicht von der Stille erdrückt zu werden. Es ist eine Möglichkeit, die Trostlosigkeit des Alls zu verdrängen, die hinter jedem Gedanken lauert, keine parodistische Herumblödelei zum Selbstzweck. Wir nehmen unsere Charaktere und unser Spiel sehr ernst (uns als Spieler*Innen aber nicht so sehr) und daraus entstehen oft witzige und auch parodistische Szenen. Das soll auch so sein, aber wir spielen unsere Charaktere nicht so, als wäre es deren einziger Daseinszweck, eine witzige Parodie zu sein. Humoristisch geht das – unserer Meinung nach – meist nach hinten los.
Behaltet bitte im Hinterkopf, dass wir ein Horror-Con sind, wenn also eine Horror-Stimmung entsteht, lasst euch darauf ein, blockt sie nicht ab, lacht sie nicht weg, unterstützt euch gegenseitig dabei, sie zu forcieren.
Für die gesamte Dauer des Spiels sind wir alle in character, d.h. im Spiel. Überall. Auch auf der Toilette. Es gibt einen fest definierten Offtopic-Bereich, in den du dich jederzeit zurückziehen kannst, wenn du eine Pause benötigst. Der ist nicht zum Plaudern da, sondern zum Runterkommen und Durchatmen. Bitte respektiere das.

5. Wir waschen schmutzige Wäsche.

Das Spiel kann und soll emotional werden. Wir wollen dramatische Momente erleben, gute und schlechte. Die schlimmsten Monster sind die tief in uns drin, nicht die von den Sternen. Wir suchen nicht das Artefakt im Wald, sondern die Abgründe in unseren Charakteren. Die Charaktere sollen auch gegeneinander agieren, versuchen, sich zu übertrumpfen, auszustechen etc. Es gibt keine NSC-Schlachtreihe, der ihr euch gemeinsam entgegen werfen könnt – nur eure Charaktere, deren zwischenmenschliche Beziehungen und das schleichende Grauen.
Wahrscheinlich werden emotional aufwühlende Themen ins Spiel kommen und wir wollen, dass sie bespielt werden. Über Emotionen entsteht Horror. Deshalb bitten wir dich darum, uns alle Themen zu nennen, die dich eventuell triggern, damit wir sie aus dem Spiel fernhalten können. Vielleicht kratzen wir im Rollenspiel an den Abgründen der menschlichen Seele, aber wenn wir das schon tun, dann wollen wir es doch außerhalb dessen für uns alle sicher gestalten. Sollte es einmal zuviel für dich sein, komm jederzeit auf eine SL zu und lass dir helfen, und wenn es nur ist, dass wir dir einen Tee kochen und fünf Minuten deine Hand halten – machen wir alles. Es ist nichts Schlimmes, Zuspruch zu benötigen und macht dich nicht zu einem/r schlechteren Rollenspieler*In, also friss nichts in dich hinein.

6. Dein Moment im Rampenlicht.

Es gibt den Moment, da steht dein Charakter im Mittelpunkt: Das Rampenlicht wartet. Nimm diese Momente an, erkenne, wenn der Scheinwerfer auf dich gerichtet ist, geh‘ raus und mach was draus. Erschaffe dir und uns allen einen Moment, an den wir uns auch noch in Jahren erinnern werden. Hab keine Furcht oder sei schüchtern, trau dich – du kannst es! Es gibt keine Jury, keine Noten oder Punkte. Alle Anwesenden freuen sich über jede Person, die etwas beitragen möchte und Arbeit in Vorbereitung investiert hat. Mehr tun die anderen auch nicht. Auch wenn du beim ersten Mal vielleicht nicht ganz zufrieden mit dir selbst warst – den anderen fällt das nicht auf. Das nächste Spotlight wird kommen und du wirst bereit sein.

7. Wir spielen Menschen, keine Superhelden.

Alle Charaktere haben Schwächen, alle haben vor irgendetwas Angst, sind verletzbar und sterblich. Spiele deinen Charakter konsequent und nachvollziehbar. Wenn dir in letzter Minute einfällt, dass dein ungebildeter Schläger doch die Integralgleichung auf der sumerischen Grabinschrift lösen kann, wird das nicht nur einige Fragen aufwerfen, sondern auch das Spiel an sich unglaubwürdig machen.
Sei bereit, zu verlieren und deinen Charakter leiden zu lassen – auch deinen Mitspielenden gegenüber. Stichwort „play to flow“ als Gegensatz zu „play to win“ oder „play to lose“. Episch scheitern ist manchmal viel spaßiger als verbissen auf den Sieg hinzuarbeiten. Du spielst nicht, um zu gewinnen. (Wichtiger Unterschied: Dein Charakter vielleicht schon.) Spoiler: Du kannst auch gar nicht gewinnen. Es gibt keinen Preis am Ende.
Du bist nicht wichtiger als die anderen, gleichzeitig ist niemand wichtiger als du. Im Horror-LARP gibt es keine Helden – nur Menschen, die hoffen können, vielleicht durch ihr Opfer die Welt ein bisschen besser zu machen.

8. Die Spielleitung macht keine willkürlichen Ansagen.

Wir haben viel Denkarbeit in unsere Welt gesteckt, mit einem besonderen Augenmerk auf ihre Umsetzbarkeit und Bespielbarkeit im Rahmen eines Liverollenspiels. Das bedeutet, Festlegungen, die dir vielleicht unnötig vorkommen, existieren, um das Spiel fairer und spannender zu gestalten. Nicht, um euch zu ärgern.
Einige Beispiele: Wieso sind Laserwaffen nicht tödlich? Weil das Ziehen einer tödlichen Schusswaffe dem Gegenüber wenig Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Vor allem wenn es, wie bei uns, keine omnipotenten Heiltränke gibt, tötet das eher Spiel, als welches zu schaffen. Wieso gibt es keine Langstrecken-Kommunikation in Echtzeit? Damit ihr euch etwas zu erzählen habt! Wieso gibt es keine Textnachrichten? Damit ihr spielt und nicht schreibt.
Wir können euch nicht zwingen, euch daran zu halten, bitten euch jedoch darum. Denn am Ende betrügt ihr mit einem Ignorieren nicht uns, sondern vor allem euch selbst und eure Mitspieler*Innen. Nehmt diese Vorgaben also lieber ins Spiel auf und macht was draus. Wenn ihr etwas blöd findet, dann sprecht das bitte vor dem Spiel bei uns an. Wir nehmen gern euer Feedback entgegen und überlegen, wie wir es besser machen können.

9. Schlusswort: Wir erzählen gemeinsam eine Geschichte.

Auch wenn unsere Charaktere manchmal gegeneinander agieren, wir spielen immer miteinander. Jede Aktion und jedes Gespräch der anderen ist ein Spielangebot an dich, auf das du eingehen kannst. Überlege dir, welche guten Spielangebote du den anderen machen kannst. Spiele aktiv, zieh’ dich nicht auf eine Zuschauerrolle zurück. Triff Entscheidungen, verfolge Ziele. Wenn du angespielt wirst, zeige irgendeine plausible Reaktion. Egal wie, spiele! Wenn du jemanden anspielst, erwarte keine bestimmte Reaktion. Akzeptiere, was dein Gegenüber daraus macht. Behalte den Spaß aller im Hinterkopf.