Die Geschichte der Galaxis, Teil I

Die Geschichte der Galaxis, Teil I: Die Entstehung und Hochzeit der Eurasischen Konförderation

Die Geschichte der Galaxis, Teil I
Die Geschichte der Galaxis, Teil I

Spacerace 2.0

[vor der neuen Zeitrechnung]

Lange galt der Aufbruch der Menschheit in den Weltraum als futuristische Fantasie einiger Milliardäre, die nicht wussten, wohin mit ihrem Geld. China setze noch mal einen Fuß auf den Mond, aber nachdem sich der PR-Staub gelegt hatte, verschwanden auch die langfristigen Pläne wieder in den Schubladen. Die ESA und Partner begnügten sich mit Raumstationen im erdnahen Orbit und die USA mit Tourismus in der Schwerelosigkeit. Die große Erforschung des Alls oblag weiterhin Robotern und Sonden.

Dann wanderte der milliardenschwere Besitzer des größten privaten Space-Travel-Unternehmens DisneX auf den Mars aus – mit entsprechenden Raketen und Habitaten, dafür ohne Rückfahrkarte. Was folgte, war nicht nur das größte PR-Event der Raumfahrtgeschichte seit Sputnik und Apollo 11: Es war die erste Kolonisierung eines fremden Planeten. Endlich gab es Leben auf dem Mars.

Trotz einiger Unfälle und Fehlfunktionen war der Startschuss für das Spacerace 2.0 gefallen: Etliche Regierungen und Privatpersonen holten alte und brandneue Pläne aus den Schubladen und entsandten alsbald eigene Raketen zum Mond und Mars. Binnen eines Jahrzehnts hatten sich mehrere Kolonien etabliert. Die neue Frontier-Bewegung im Weltraum ließ auf der Erde neue Allianzen wachsen: Ressourcen und Technologien wurden über nationale Grenzen hinweg kombiniert, um gemeinsam ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte zu schreiben.

Auf den Spuren von Voyager

[vor der neuen Zeitrechnung]

In den folgenden Jahrzehnten besiedelte man Mars und Mond, wagte sich zur Venus und auf die Jupiter- und Saturnmonde. Bemannte Raumstationen umkreisten alle Planeten bis zum Saturn, und Roboter setzten ihren Fuß auf jeden bedeutenden Felsbrocken des Sol-Systems. Die Menschheit forschte an Technologien, um sich immer neue Orte zu erschließen. Autonome Systeme, überwacht von fortschrittlichen KIs, gingen die ersten Schritte für sie. Es herrschte Aufbruchsstimmung – und es schien, als sei genug Weltraum für alle da.

Je weiter man sich im eigenen Sonnensystem ausbreitete, desto selbstverständlicher wurde es, zwischen Planeten und Stationen zu reisen. Handelsströme entstanden, die ersten nicht auf der Erde geborenen Athletinnen nahmen an den Olympischen Spielen teil, Influencer spammten Timelines mit Reiseberichten von Titan und Io zu. Und die fernen Sterne am Nachthimmel wurden der nächste große Sehnsuchtsort. Forscherinnen und Visionäre arbeiteten unermüdlich daran, die Menschheit weiter hinaus ins All zu tragen. Es war eine gewaltige Aufgabe – und ein zäher Prozess mit vielen Rückschlägen.

Die Menschheit selbst hatte sich mit ihrem Aufbruch ins All jedoch nicht nennenswert weiterentwickelt. Jede Nation, jedes Unternehmen oder Konglomerat beanspruchte einen eigenen Teil des Weltraums. Man gründete Kolonien wie zu Kolumbus‘ Zeiten und verteidigte sie eifersüchtig gegen die Nachbarn. In der Hektik entstanden überstaatliche Organisationen, um über Mindeststandards und technische Spezifikationen zu streiten. An Schlichtungsgerichten warf man sich zivilisiert „We agree that we disagree“ an den Kopf. Und letztlich gingen auch die gewaltsamen bewaffneten Konflikte in guter alter menschlicher Tradition weiter – auf der Erde genau wie im Rest des Systems.

Die Eurasische Konföderation

[Das Jahr 0]

Einer gemeinsamen Forschungsinitiative der ESA sowie der chinesischen und japanischen Raumfahrtbehörden gelang schließlich der große Durchbruch in Form eines kleinen Gefährts, das sich anschickte, das Tor zu den Sternen aufzustoßen. Der Prototyp von der Größe eines Umzugskartons war mit einer Raumzeitkrümmungsmechanik ausgestattet und sorgte für einen aufsehenerregenden Jungfernflug: Er legte die Strecke Erde-Mars in einem Wimpernschlag zurück, setze einen aufgezeichneten Funkspruch ab und begab sich dann auf den Rückweg. Angekommen ist er jedoch nie. Die letzte Nachricht fingen Radioantennen mit 20-minütiger Verzögerung auf: „I’ll be back.“

An diesem Tag begann eine neue Zeitrechnung: Das Jahr Null, in dem der Mensch in die schier grenzenlosen Tiefen des Weltalls hinaustrat.

Es vergingen Jahre, bis die erste Sprungsonde erfolgreich von Alpha Centauri zurückkehrte, und noch länger bis zum Start einer ersten bemannten Sprungmission. Währenddessen entstand aus der gemeinsamen Vision und einem geeinten Forschungsverbund ein Staatenbündnis, dessen Traum und erklärtes Ziel die Erforschung und Besiedlung des Weltraums war.

An jenem Tag, als die ersten Menschen Sol verließen und ihren Fuß in ein fremdes Sonnensystem setzten, verkündeten die Anführerinnen der EU (ohne Großbritannien), Chinas, Japans, Russlands, Indiens und anderer asiatischer Staaten sowie Südafrika feierlich den Zusammenschluss der Eurasischen Konföderation.

New Frontiers

[1. bis 3. Jh. n. Z.]

Das Tor war aufgestoßen. Entdecker und Glücksritter strömten hinaus in die Unendlichkeit des Weltalls. Unzählige neue Planeten wurden entdeckt und betreten. Mit jedem Sprungschiff, das die Orbitalwerften der Eurasischen Konföderation verließ, begann ein neues Abenteuer und weiße Flecken verschwanden von den Karten des Alls.

Den Entdeckerinnen folgten die Siedler. In vielversprechenden System entstanden in schwindelerregender Zeit Raumstationen, ganze Schwärme von Raketen brachten Roboter auf Planeten und Monde, wo diese Habitate, Fabriken und Minen errichteten. Terraforming-Projekte begannen. Aus verstreuten Außenposten der Menschheit wuchs ein Netz aus Sprungstationen. Hubs entstanden für raketenbetriebene Schiffe, die innerhalb der Systeme verkehrten und Siedlungen ansteuerten. Wo es nicht genügend Personen für eine Besiedelung gab, entstiegen kurze Zeit später die notwendigen Menschen den Tanks der Biotec-Labore. Weltraumaufzüge brachten Rohstoffe von Planeten. Minenschiffe – groß genug, um ganze Asteroiden aufzubrechen – ernteten die Systeme ab, um den Hunger der Fabriken zu stillen. Ein wissenschaftlich-technischer Durchbruch jagte den nächsten.

Jener Teil der Menschheit, der sich unter der Eurasischen Konföderation vereinigt hatte, entwickelte eine so unaufhaltsame Dynamik, dass die verbleibenden Nationen der Erde zu gebannten Zuschauern degradiert wurden. Ein paar von ihnen, wie die arabischen Nationen, traten bei, um Teil des Aufbruchs zu werden. Andere wie Großbritannien blieben lieber unabhängig. Von den isolierten USA sprach seit „dem Vorfall“ schon lange niemand mehr.

Wie in einem kollektiven Rausch schienen viele der alten Hemmschuhe der Menschheitsentwicklung abgestreift. Man teilte freimütig Wissen, kooperierte zum Vorteil aller und es gab für jeden einen Platz. Dieser Rausch sollte die Menschheit die nächsten Jahrhunderte antreiben.